TOSCA bringt Schwung in gemeinsames Managementstudium
MBA-Studierende von HWR Berlin und Wichita State University entwickeln gemeinsam Markteintrittskonzepte für Unternehmen. Ein Interview mit Prof. Dr. Sven Ripsas über innovative Managementausbildung.
Zur Person
Prof. Dr. Sven Ripsas ist Professor für Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin). Er ist Initiator der Zusammenarbeit mit der amerikanischen Wichita State University im Bereich des Weiterbildungsstudiums zum Master of Business Administration (MBA). Sein zentraler Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen und der Entrepreneurship Education.
Seit 20 Jahren arbeiten die Berlin Professional School der HWR Berlin und die Wichita State University in der MBA-Ausbildung zusammen. Weshalb ist das ein Grund zum Feiern?
Das Projekt ist außergewöhnlich. Es war vor 20 Jahren innovativ und ist es heute noch. Wir haben damals einen ganz neuen Pfad der Managementausbildung betreten. Beide Hochschulen, die HWR Berlin und die Wichita State University in den USA, sehen es heute als profilbildend für ihre MBA-Programme an.
Was machen Sie und Ihre amerikanischen Kolleginnen und Kollegen anders?
Das Besondere war und ist, dass es gemischte Studierendengruppen aus zwei MBA-Programmen sind, die gemeinsam an realen Beratungsprojekten arbeiten und gemeinsam benotet werden. Das Projekt fand auf der „GMAT –MBA Leadership Conference“ schon ganz am Anfang, also 2006, besondere Erwähnung, da selbst in den USA bisher kein weiteres berufsbegleitendes MBA-Programm bekannt war, wo Studierende in einem internationalen Projekt gemeinsam beurteilt und benotet werden.
To give U.S. and German students a real-world international work team experience.
Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus?
Es ist nicht nur der akademische Rahmen, sondern auch der Praxisbezug, was diese Kooperation zu einzigartig macht. Innovative Startups und mittelständische Unternehmen, die auf den amerikanischen beziehungsweise deutschen Markt expandieren möchten, haben die Möglichkeit, sich im Rahmen dieses Projektes ein Markteintrittskonzept für die USA oder eben Deutschland von berufserfahrenen MBA-Studierenden entwickeln zu lassen. 90 Firmen haben schon davon profitiert, 500 inzwischen Absolventinnen und Absolventen unserer Weiterbildungsprogramme waren daran beteiligt.
Welches Beispiel aus den Anfangsjahren fällt Ihnen spontan ein?
2005 war Facebook, damals noch ein kleines Startup, bei uns an Bord und die Studierenden mussten beurteilen, ob es in Deutschland eine Chance gegen das soziale Netzwerk StudiVZ haben könnte. Sie haben diese Frage nach gründlicher Recherche bejaht – und lagen ganz offensichtlich richtig.
Das Gefühl, im Studium schon Impact zu haben, macht das Projekt für die Studierenden zu einem wichtigen Bestandteil ihres MBAs.
Das Ganze geht also weit über einen gegenseitigen Study Visit hinaus?
Absolut! Die Vision ist: “To give U.S. and German students a real-world international work team experience.” Der inhaltliche Rahmen stammt von den großen Beratungsunternehmen, nennt sich TOSCA und gewährleistet, dass es Ergebnisse gibt, die von Relevanz für die Unternehmen sind. Das Gefühl, im Studium schon Impact zu haben, macht das Projekt für die Studierenden zu einem wichtigen Bestandteil ihres MBAs.
Sind gegenseitige Besuche überhaupt noch nötig in der Ära der Videocalls?
Und ob! Über die Jahre haben wir herausgefunden, dass vor allem beim Kickoff die persönliche Begegnung wichtig ist. Deswegen widmen wir einen ganzen Tag dem Teambuilding, wenn unsere amerikanischen Partner nach Berlin kommen. Und auch die Abschlusspräsentation ist intensiver, wenn die Firmenvorstände mit im Raum sind. Zwischendurch sind die heutigen Online-Tools völlig ausreichend.
Nicht nur Startups, die gesamte Wirtschaft, die Gesellschaft braucht einen möglichst breit und international aufgestellten Entrepreneurial Mindset in allen Bereichen.
Im Programm geht es also viel darum, Neues auszuprobieren, Business und Management neu zu denken?
Ja, denn vor allem im Startup- und Management-Ökosystem ist der Wandel unser ständiger Begleiter. Nicht nur Startups, die gesamte Wirtschaft, die Gesellschaft braucht einen möglichst breit und international aufgestellten Entrepreneurial Mindset in allen Bereichen. Es braucht Menschen, die das Risiko nicht scheuen, eine Vision für ein Unternehmen haben und sich vorstellen können und bereit sind, mit vollem Einsatz die Grenzen des Möglichen zu schieben. Seit circa fünf Jahren beobachten wir, dass in den großen Unternehmen (Corporates) immer häufiger Instrumente aus dem Startup-Umfeld eingesetzt werden. So sind Professoren und Professorinnen der HWR Berlin auch in der Corporate-Entrepreneurship-Weiterbildung von Unternehmen aktiv.
Wie können lokale Unternehmensnetzwerke besser von den Hochschulen profitieren?
Es ist eine Win-win-Situation. (Berliner) Unternehmen erhalten Unterstützung bei der Internationalisierung und die Studierenden eine praxisnahe Managementausbildung. Hier spielt vor allem unser Gründungszentrum, der Startup Incubator Berlin (SIB), eine wichtige Rolle. Im SIB werden Innovationsprojekte für die Region entwickelt, zum Beispiel für die Investitionsbank Berlin, Siemens Energy oder die Bundesanstalt für Materialprüfung.
Unternehmen erhalten Unterstützung bei der Internationalisierung und die Studierenden eine praxisnahe Managementausbildung.
Könnten Sie ein konkretes Beispiel geben für gelungene Kollaborationen?
Eine besonders gelungene Zusammenarbeit gab es in den letzten fünf Jahren mit Siemens Energy. In über zwölf Corporate-Entrepreneurship-Weiterbildungen haben HWR-Professoren wesentliche Instrumente des Startup-Entrepreneurships, des Transformations- und des strategischen Managements mit Führungskräften aus der Praxis diskutiert und Maßnahmen entwickelt.
Wie hat dieses Projekt auf andere Bereich der HWR Berlin ausgestrahlt?
In unsere internationalen digitalen Unterrichtskonzepte – Collaborative Online International Learning (COIL) und Blended Intensive Programmes (BIP) – in anderen Studiengängen habe ich die Erfahrungen aus dem MBA-Projekt mit der Wichita State University eingebracht. Das kann dazu beitragen, Fehler zu vermeiden und von Anfang an erfolgreiche, erprobte Verfahrensweisen in der internationalen Bachelor- und Master-Ausbildung zu etablieren.
Die persönliche und experimentelle Atmosphäre des Berlin-Wichita-MBA-Projekts ist etwas ganz Spezielles.
Was ist Ihr persönliches Highlight der letzten 20 Jahre?
Meine wichtigste Erkenntnis aus diesem Projekt ist die Bedeutung von Vertrauen, gemeinsamen Werten und Visionen, Verlässlichkeit und der Bereitschaft zu hohem Einsatz. Gäbe es nicht Hochschul- und Institutsleitungen, Professoren und Professorinnen und Projektleiterinnen an beiden Hochschulen, die mit weit mehr als dem üblichen Einsatz diesen innovativen Managementkurs ermöglichen, hätte das Projekt keine 20 Jahre ausstrahlen können.
Natürlich müssen wir State-of-the-Art-Managementwissen vermitteln und tun das auch – doch dies tun andere auch. Die persönliche und experimentelle Atmosphäre des Berlin-Wichita-MBA-Projekts ist etwas ganz Spezielles.
Prof. Ripsas, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Sylke Schumann, Pressesprecherin der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin).